Mit Linux den Computer entfesseln

Im letzten Artikel, wo ich mich über die Knebelung der Nutzer - also der Einschränkung Ihrer Freiheit, liebe Leser! - ausgelassen hatte, habe ich auf Linux als Alternative zu Windows hingewiesen. Heute kläre ich Sie daher auf, was das überhaupt ist, was es mit den Linux-Distributionen auf sich hat und welche davon für Ein- und Umsteiger besonders zu empfehlen sind.


Linux selbst bezeichnet genau genommen nur den reinen Betriebssystemkern. Das ist das grundlegende Programm, welches das Zusammenspiel der Hardware und aller anderen (Anwendungs-) Programme regelt. Damit allein könnten Sie erst mal gar nichts anfangen, aber ein Betriebssystem erleichtert Programmierern die Arbeit ganz wesentlich. In den Anfangstagen der Computer mussten diese noch in Maschinensprache alle Hardware direkt ansprechen, wodurch für die eigentliche Aufgabe des Programms verhältnismäßig wenig Ressourcen übrig blieben.

Im allgemeinen Sprachgebrauch verstehen die meisten unter Linux jedoch eine vollständige Distribution. Das ist eine Zusammenstellung von Linux-Kern und einer meist sehr umfangreichen Liste von Anwendungsprogrammen.

Zur Veranschaulichung: Windows (oder auch MacOS) ist ein Zwischending zwischen einem reinen Betriebsssystem und einer Distribution. Schon die grafische Benutzeroberfläche ist genau genommen ein einfaches Anwendungsprogramm, auf jeden Fall gilt das für den Browser, der in Form von Internet Explorer bzw. Safari bei den genannten Systemen immer schon mit dabei ist. Dennoch sind weder Windows noch MacOS Distributionen in diesem Sinne, denn ein Office-Paket, Bildbearbeitung oder auch Software fürs Onlinebanking gehören nicht mit dazu.

Eine Linux-Distribution liefert Ihnen jedoch alle diese Programme und noch eine ganze Menge mehr. Es gibt wohl niemanden, der wirklich alle Programme installiert hat, die die großen Distributionen anbieten.

Der, wie ich finde, größte Vorteil von Linux gegenüber Windows oder MacOS ist, dass die Distribution Ihnen in Form der Paketverwaltung neben dem Installieren auch die Updates für Programme abnimmt. Zusatztools wie Secunia PSI und erst recht das manuelle Updaten verschiedener Programme entfallen damit.

Übrigens: Wenn Sie einen Tablet-PC oder ein Smartphone mit Android haben, dann benutzen Sie Linux schon längst; allerdings in einer sehr auf Google zugeschnittenen Fassung. Dadurch, dass der Betriebssystemkern das freie Linux ist, haben Sie jedoch die Möglichkeit, eine freie Abwandlung von Android wie z.B. CyanogenMod zu installieren.

Um ein Ahnung von der Vielfalt der Linux-Distributionen zu bekommen, schauen Sie sich spaßeshalber mal die Zeitleiste der Distributionen auf Wikipedia an - aber keinen Schreck bekommen! ;-)

Die allermeisten dieser Distributionen sind Nischenprodukte, die nur von recht wenigen Menschen verwendet werden oder einen speziellen Zweck haben. Für den Einsatz auf Ihrem privaten Laptop oder PC eignen sich vor allem diejenigen, die viele Anwender haben und dem entsprechend aktiv weiterentwickelt werden.

Wesentliche Unterschiede (aus meiner Sicht) sind zum einen die verwendete Desktopumgebung, wobei in den meisten Fällen auch nachträglich noch andere installiert werden können, und die Art wie neue Releases, also komplett neue Versionen der Distribution, gehandhabt werden.

Die meisten Distributionen veröffentlichen in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen neue Versionen, wie das auch bei Windows und MacOS der Fall ist. Dabei wird bis zum Veröffentlichen der neuen Version gründlich getestet, ob auch alle mitgelieferten Programme funktionieren und miteinander harmonieren. Der Nachteil dieser Methode ist, dass der Wechsel zur neuen Version (Upgrade) einen größeren Aufwand bedeutet und nicht immer ganz reibungslos verläuft. Außerdem ist in den neuen Versionen oft einiges an Bedienung und Aussehen verändert, so dass sich die Anwender erst mit der neuen Version vertraut machen müssen. Zudem können einzelne Programme schnell veraltet sein, wenn die Distribution sehr konservativ mit Programmupdates umgeht.

Da für mich die Nachteile dieses Verfahrens überwiegen, habe ich mir schon vor längerer Zeit eine Linux-Distribution mit Rolling Releases gesucht. Das bedeutet, dass die Distribution für alle Programme laufend Aktualisierungen bereit stellt, und somit die installierten Programme jederzeit auf dem aktuellen Stand sind. Dies bezieht sich nicht nur auf Sicherheitsupdates, die von allen Distributionen angeboten werden, sondern auch neue Programmversionen mit geänderter Funktion. Der Nachteil gegenüber festen Versionswechseln ist logischerweise, dass nicht immer alle Programme auf perfektes Zusammenspiel getestet werden können und gelegentlich nach einem Update mal etwas nicht so läuft wie es soll. Allerdings kommt es nur äußerst selten vor, dass mal gar nichts mehr geht, wohingegen dieses Risiko bei einem Releasewechsel deutlich höher ist.

Kommen wir nun also zu den konkreten Distributionen:

  • Bis vor einiger Zeit war Ubuntu noch die Distribution der Wahl, die ich uneingeschränkt Ein- und Umsteigern empfehlen konnte. Wegen verschiedener teils umfangreicher Änderungen ist das heute nicht mehr der Fall.
    So verwendet Ubuntu seit der Version 11.04 Unity als Standard-Desktopumgebung. Zum einen geht Ubuntu damit einen Alleingang, zum anderen ist Unity auch durchaus gewöhnungsbedürftig, sowohl für alte Linux-Hasen als auch Umsteiger von Windows. Allerdings können Sie alle gängigen Desktopumgebungen nachträglich installieren, es gibt auch Versionen wie Kubuntu mit KDE oder Lubuntu mit LXDE voreingestellt.
    In der aktuellen Version 12.10 liefert die Suchfunktion von Ubuntu in der Standardeinstellung auch Ergebnisse aus dem Amazon-Shop, weshalb Richard Stallman, der Gründer der Free Software Foundation, von Ubuntu als Distribution abrät.
    Davon kann man nun halten was man will, jedenfalls ist Ubuntu weiterhin eine der verbreitetsten Linux-Distributionen mit einer großen Gemeinde von Entwicklern und Anwendern.
    Längere Zeit hatte ich selber Ubuntu im Einsatz und betreue bis heute mehrere Rechner damit.
    Bei notebooksbilliger.de gibt es einige Net- und Notebooks mit Ubuntu vorinstalliert zu kaufen.
  • Linux Mint ist seit längerem die laut Distrowatch populärste Distribution. Hierbei handelt es sich um eine Abwandlung von Ubuntu, die eine traditionellere Benutzeroberfläche auf Basis von Gnome verwendet. Etliche Ubuntu-Anwender sind aus diesem Grund zu Linux Mint gewechselt. Ein weiterer Unterschied und Grund, warum sich Windows-Anwender damit vermutlich besser zurecht finden, ist, dass von Haus aus nicht-freie Programme wie der Adobe Flash Player und verschiedene Codecs zum Abspielen von Videos und Musik installiert werden.
    Mit Linux Mint habe ich bisher noch keine direkte Erfahrung, kann mich aber vor allem durch die Nähe zu Ubuntu schnell darin einarbeiten. Es gibt mit Linux Mint Debian Edition (LMDE) auch eine Variante, die auf Rolling Releases beruht.
    Aus meiner Sicht besteht der Hauptnachteil von Linux Mint in der bisher noch sehr spärlichen deutschsprachigen Dokumentation.
  • Debian GNU/Linux ist ein echtes Urgestein unter den Linux-Distributionen, auf der sehr viele andere aufbauen, so auch Ubuntu. Man könnte es als Kontrastprogramm zu Linux Mint bezeichnen, welches mittelbar auch darauf beruht, denn Debian hält den Gedanken der Freien Software sehr hoch. Der Debian-Gesellschaftsvertrag legt fest, dass in der Standard-Distribution konsequent nur Freie Software zur Verfügung gestellt wird. So müssen, wenn gewünscht, nicht nur Flash Player, Codecs & Co. nachträglich installiert werden, sondern auch proprietäre Gerätetreiber beispielsweise für die Grafikkarte.
    Davon abgesehen lässt Ihnen Debian die freie Wahl aus einem riesigen Softwareangebot, auf das auch Ubuntu & Co. zurückgreifen.
    Mit neuen Versionen der Distibution lässt sich Debian traditionell sehr lange Zeit.
    Mit Debian habe ich ebenfalls schon Praxiserfahrung sammeln können und unterstütze Sie gern dabei.
  • openSUSE war meine erste Linux-Distribution, was allerdings schon etliche Jahre zurückliegt (das war 1998, damals hieß es noch einfach SuSE). Als Desktopumgebungen stehen KDE, GNOME und verschiedene andere zur Verfügung, insgesamt ist die Softwareauswahl sehr groß. OpenSUSE ist aus meiner Sicht nicht unbedingt die einfachste Distribution, wer voll in Linux einsteigen will, findet durch die große Auswahl an Programmen jedoch alles was das Herz begehrt.
  • Fedora ist aus Red Hat Linux entstanden und liefert wie Debian nur Freie Software mit, so dass alles andere nachträglich aus anderen Quellen installiert werden muss. Es ist eine der fünf verbreitetsten Distributionen, so dass auch hier eine große Entwickler- und Anwendergemeinde dahinter steht.
    Mit Fedora bzw. Red Hat Linux habe ich bisher nur am Rande gearbeitet, kann mich aber auch hier schnell einarbeiten.
  • Die fünfte große Linux-Distribution ist Mageia, das aus dem französischen Mandriva Linux hervorgegangen ist. Hiermit habe ich bisher noch gar keine Erfahrung, nach den Beschreibungen zeichnet es sich durch eine einfache Installation, freie Wahl von Desktopumgebung und anderer Programme sowie ebenfalls eine insgesamt große Softwareauswahl aus.
  • Wer wirklich tief in die Linux-Welt einsteigen will, kann das mit Arch Linux tun. Ich arbeite seit 2008 damit, womit Arch die Distribution ist, die ich am längsten hintereinander weg einsetze. Und ich habe nicht vor, wieder zu wechseln. :-)
    Im Gegensatz zu den bisher genannten Distributionen hat sich Arch Linux dem Prinzip der Einfachheit verschrieben, womit nicht gemeint ist, dass alles möglichst simpel zu bedienen ist. Viele andere Linux-Distributionen treiben einen immer größeren Aufwand, um möglichst viel Komplexität vor den Anwendern zu verbergen. Das scheint zunächst hilfreich zu sein, wird aber zum Problem, wenn mal etwas nicht auf Anhieb funktioniert. Dann muss nämlich auch ein alter Hase wie ich erst einmal durch die sehr komplexen Komplexitäts-Versteckungs-Mechanismen durchsteigen um zur Ursache des Fehlers zu gelangen. Der Unterschied zu Windows ist dann nicht mehr groß... Der oben verlinkte Text zur Einfachheit beschreibt genau, worum es geht.
    Mit Arch Linux kann man daher viel besser als mit den obigen Distributionen lernen, was den Kern eines Linux-Systems ausmacht und wie alles dabei zusammenspielt. Und es ist lange nicht so umständlich wie die Gehversuche des Süddeutsche Zeitungs-Redakteurs Stephan Maus mit NetBSD aus dem Jahr 2005.

Bleibt am Schluss dieses bisher längsten Blog-Artikels nur noch der Hinweis auf den 20%igen Linux-Rabatt:

Linuxrabatt